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Okanagan Valley: "Die schönste Ecke der Welt"

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Weinprobe mit anschließendem Picknick: St. Hubertus Weingut (c) Julia Schoon
Weinprobe mit anschließendem Picknick: St. Hubertus Weingut (c) Julia Schoon
Weinberge und Wüste würden Sie jetzt nicht unbedingt in Kanada vermuten? Dann waren Sie noch nicht im Okanagan Valley! Das Tal mit dem langgestreckten See kuschelt sich in die Westausläufer der Rocky Mountains und ist ein Geheimtipp für Freunde der entspannten Lebensart. Wir haben uns das Okanagan gleich drei Mal angeschaut:
Die Urlauber-Perspektive
Was für Kanadier völlig normal ist, erscheint uns nach zwei Monaten in unserer Wahlheimat Calgary zumindest machbar: Wir fahren übers Wochenende nach Kelowna. Das sind 600 Kilometer Fahrt in eine Richtung, quer über die Rocky Mountains. Klingt stressig, ist es aber überraschenderweise gar nicht – und das liegt am Okanagan Valley.
Zugegeben: Wenn man stundenlang an einem imposanten Berg nach dem anderen vorbeigefahren ist, auf deren Gipfeln selbst jetzt, im August, Gletscher thronen, und dann ins Okanagan Valley rollt, überrumpeln einen die Backofen-Temperaturen erst mal. Der Fahrtwind, der durchs offene Fenster kommt, fühlt sich plötzlich an als würde man sich mit einem Fön ins Gesicht blasen. Wieso hat dieses Auto keine Klimaanlage? Eine endlose Stunde müssen wir durchhalten, dann erreichen wir endlich den Okanagan Lake, der sich wie ein langgezogenes Doppel-S durchs Tal schlängelt und an dessen Ufer an einigen Stellen kleine Sandstrände liegen. Das Wasser ist herrlich und deutlich wärmer als der See mitten in den Rockies, in den wir unterwegs gehüpft sind.
Nachdem wir uns abgekühlt haben, nehmen wir die Landschaft um uns herum zum ersten Mal richtig wahr. Sanfte Hügel umrahmen den See, an deren Hängen Weinberge angelegt sind, manche Rebenreihen reichen bis fast ans Ufer. Zwischen den Weingütern liegen immer wieder kleine Städte und auch einzelne Häuser sitzen am Berg und bescheren ihren Bewohnern sicher einen Million-Dollar-Ausblick. Lieblich ist das Wort, das einem hier sofort in den Kopf kommt. Ein Ort, an dem man nach einem langen Tag am Lenkrad auch innerlich sofort den Fuß vom Gas nimmt.
Unser Hostel liegt mitten in Kelowna, mit rund 100.000 Einwohnern die größte Stadt im Tal, und nur ein paar Minuten zu Fuß vom Strand entfernt. Als wir einchecken, ist es beinahe ausgestorben, nur auf der Veranda hängen ein paar braungebrannte Typen mit nacktem Oberkörper und weiten Hosen ab. Wir lassen uns in die Hängematten fallen, die ein kluger Mensch unter die Bäume gebunden hat, und den Rest des heißen Nachmittags an uns vorüber ziehen.
Am Abend reiben wir uns überrascht die Augen: Das Hostel ist schlagartig zum Leben erwacht. Jede Menge Backpacker drängen sich in der Küche um den Kühlschrank und die wenigen Herdplatten. Feierabend auf den Obstplantagen, verrät uns ein Franzose namens Olivier. Er ist, wie offensichtlich viele hier, Dauergast im Hostel. Mit seinem Working-Holiday-Visum jobbt er schon seit ein paar Wochen in Kelowna. „Die Bezahlung ist nicht schlecht“, sagt er, „und die Leute sind total entspannt.“ Später sitzen alle auf der Veranda, die Fruit-Picker und die Mädels, die den Tag am See verbracht und ihre Bräune gepflegt haben, trinken Bier und Jägermeister und die laue Abendluft ist süß vom Rauch und schwer vom Testosteron.
Am Morgen ist es noch angenehm kühl. Wir gehen mit dem Flow von Kelowna, frühstücken ausgedehnt und überlegen, was wir mit dem heißen Urlaubstag, der vor uns liegt, anstellen. Schwimmen und Wein trinken klingt nach einem guten Plan. Unsere erste Station sind die Tantalus Vineyards – ein Tipp von Freunden aus Calgary. Erst 2010 haben sie ihr neues Haus eröffnet, das ein klein wenig versteckt in den Hügeln liegt und in dem sie jetzt täglich Weinproben anbieten. „Davor konnten wir nur mit Voranmeldung Besucher empfangen“, erzählt uns Jane, während sie uns einen 2009er Dry Riesling einschenkt. „In diesem Jahr haben sich die Besucherzahlen schon verdoppelt.“ Die Kanadierin ist mit einem Neuseeländer verheiratet, der, natürlich, Weinmacher ist. „In diesem Jahr geht bei uns der Rosé wie verrückt“, sagt sie und lässt ihn uns auch gleich probieren: ein überraschend trockener Tropfen. Wir probieren noch einen 2008er Pinot Noir Juveniles und einen 2008er Pinot Noir, kaufen zwei Flaschen für später, dann tauschen wir widerstrebend den Tresen in diesem angenehm klimatisierten Haus gegen unser Backofen-Auto ein. Nichts wie runter zum See und abkühlen.
Die Straße schlängelt sich oberhalb des Ufers entlang und während wir nach einer Badebucht Ausschau halten, kommen wir an drei weiteren Weingütern vorbei. Einige Stunden später, die wir entspannt unter Bäumen am und im Wasser verbracht haben, fühlen wir uns bereit für mehr Alkohol.
Die Weingüter unterscheiden sich sehr: Während Tantalus sehr künstlerisch, fast wie ein modernes Museum daher kam, verströmt St. Hubertus einen wunderbar altmodischen Charme, der noch unterstrichen wird durch einen Pick-Up aus den 40er Jahren, der am Hang pittoresk vor sich hin rostet. Ein hübscher Picknickplatz hinter dem Haus lädt die Besucher ein, nach der Weinprobe noch den Ausblick über Weinberge und See zu genießen.
Auf dem Cedar Creek Estate wiederum fühlt man sich wie in einer Hollywood-Filmkulisse: Zum Anwesen gehört ein großes Restaurant, das mit seiner säulenumstandenen Veranda an eine Hacienda erinnert, und ein Rosengarten mit Wandelgang und Panoramablick über den Okanagan. Hier wurde sicher schon so manches Hochzeitsfoto geschossen. Die Weine – Pinot Noir, Pinot Blanc, Riesling und immer wieder Rosé – werden von Gut zu Gut besser. Oder kommt mir das in der Hochsommerhitze nur so vor?
Ich bin wohlig zufrieden, als wir am Abend wieder im Hostel ankommen und unsere Lieblingsplätze in den Hängematten einnehmen. Genau wie mein Freund, der als Fahrer am Wein nur nippen konnte und sich jetzt ein eisgekühltes Bier öffnet. „Must Dos“, lese ich ihm aus der Kelowna-Broschüre vor, die wir in der Touristeninformation mitgenommen haben. „Wakeboard-Stunde an der Core Marina. Herzförmige Nüsse wachsen sehen und probieren. Besuch der Lavendel-Farm. Gratis open air Konzerte.“ – „Wir sollten noch einen Tag dranhängen“, brummt er mit geschlossenen Augen, während er träge hin und her schaukelt. „Und auf jeden Fall wiederkommen.“
Wie eine Schweizer Auswanderin auf Zeit Kelowna erlebt hat und welchen Einfluss deutsche Winzer auf die Entwicklung des Okanagan Valley hatten, lesen Sie in der neuen Ausgabe von 360° Kanada (Nr. 3/2012); außerdem darin: viele weitere Beiträge aus den Ressorts Travel & Outdoors, Emigration & Working Holidays, Culture & Lifestyle. Das Heft ist ab dem 14. Juni im Zeitschriftenhandel erhältlich oder unter redaktion@360grad-medien.de (als Printmagazin oder PDF).

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